Donnerstag, 7. Juni 2007

Vom Ende der Nabelschnur



Liebe Heimat,




daheim, vor 20 Jahren und auch mehr, lief auf einem öffentlich rechtlichen Fernsehkanal die allerallererste Folge einer Vorabendserie, deren Ende auch heute noch nicht ab zu sehen ist.


Na, fällt der Groschen?


Wie ich höre, klappert im Badezimmer gerade die Waage. Das Rätsel steht drauf rum, hochrote Wangen und die Befürchtung zu schwer zu sein... nö, oder?


Na ja, sei's drum.


Die Mutter, das Herzstück, dieser Vorabendserie hat bis zum heutigen Tag Spuren in meinem Seelenleben hinterlassen. Eine Mutter war das, wie ich bis dato noch keine Mutter kennengelernt hatte. Eine Ausgeburt an Güte und Verständnis. Nicht das meine eigene Mutter jetzt Feuer gespuckt hätte... Nein, aber die Vorabendserienmutter, die war ein Knaller. Eine Mutter, die Schweinebraten im Rohr hatte und Knödel mit der Hand rollte. Eine Mutter mit Schürze und rosa Bäckchen und einer großlockigen Dauerwelle vom Friseur um die Ecke.


Meine Mutter war nicht so. Bei weitem nicht. Und sein wird sie das auch nie. Dafür ist sie irgendwie... zu frisch? Meine Mutter kann gut kochen. Sehr gut sogar. Wenn sie will. Aber einen Schweinebraten... Den hat es bei uns nie gegeben. Meine Mutter ist keine Schweinebratenmutter. Überhaupt fehlt ihr bis heute der nötige Körperumfang, vor allem im Brustbereich, um eine Blümchenschürze anständig zu füllen. Nun gut.


Aber das Ding mit der Schweinebratenmutter... da wirkte irgendetwas in mir.


Wenn ich mit meiner Mutter zoffte, auch heute noch, ist mein allerletztes Argument: "Und überhaupt, du hast nie einen Schweinebraten gemacht!"


Meine Frage: Bist Du das? Ist Schweinebraten das Symbol schlechthin für Heimat? Für Geborgenheit? Für Familie? Der Knödel die Rückkehr zur Mutterbrust?


Wann gibt es denn einen Schweinebraten? Am Sonntag = Familientag. An Feiertagen = sollten Familientage sein. Blöd jetzt, wenn man der Heimat fern und so.


Ich glaube: Ja. Heimat ist Schweinebraten und Schweinebraten Heimat. Wobei es jetzt nicht darauf ankommt, ob man den Schweinebraten gerne isst. Auf den Symbolcharakter kommt es an.


An Feiertagen ist dann manchmal die Sehnsucht da. Ganz plötzlich joggt sie neben einem, grad dann wenn man an einem Biergarten vorbeirennt und es riecht so gut... nach Schweinebraten. Da möcht' ich dann in der Heimat sein, daheim. Das Stückchen Ackerscholle im Herzen verlangt danach und ich wünsch' mir meine Mutter her, auch wenn ich schon groß bin. Egal. Dann denk' ich an meine Mutter und weiß, der nächste Besuch in der Heimat verläuft wieder ohne Schweinebraten. Dafür werd' ich aber mit einem sensationellen Nudelauflauf gefüttert. Ein Glück, weil ich kann ja nicht kochen. Und der Nudelauflauf meiner Mutter ist eh der Beste.


Was auch gut ist, daß wir ja in so modernen Zeiten leben. Das ist fein. Da hab ich nämlich vor kurzem ein bisschen Schweinebratenmutter abbekommen und wurde zum Schweinebraten mit Knödel (die selbstgedrehten) eingeladen. Eine Freundin von mir war so großzügig etwas Mutter herzuleihen. Toll und eine dickes Danke nochmal dafür.
Ich möchte noch hinzufügen: Obschon diese Leihmutter einen Schweinebraten herstellte... sie sieht auch nicht so aus, wie die Schweinebratenvorabendserienmutter. Ganz und gar nicht.


Auf den Schweinebratenteller mit Knödel drauf schien die Sonne und die Stühle auf der Terrasse waren sehr bequem. Das Stückchen Ackerscholle freute sich.


Tja Heimat, Du siehst, ich kann nicht von Dir lassen, denn:




Wo meine Sonne scheint,
und wo meine Sterne steh'n,
da kann man der Hoffnung Glanz
und der Freiheit Licht
in der Ferne sehn.




Alles Liebe,




Deine JellyBean




5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein herrliches Loblied an alle Schweinebratenmütter dieser Welt! Köstlich! Verführerisch duftend!
Liebe Schweinebratenvermisserin,Du tust mir echt leid, hak doch mal bei Mutti nach, vielleicht wollte sie keine Schweinebratenmama sein und ist dafür eine tolle "IchhörDirzu-binimmerfürDichda-unddenkanDich-Mama"....
Ein würziges Hurra und kräftiges DANKE für diesen wohlschmeckenden Beitrag liebe JellyBean

Anonym hat gesagt…

Liebes Nabelschnurende einer Nudelauflaufmutter

Ja, im Alter wird man leider sentimental und solche Beiträge rühren natürlich das Herz der Alten. Deshalb vielen Dank für Deinen wunderbaren Beitrag, der herrliche Erinnerungen an eine sonntägliche 30minütige Alltagsvollkommenheit weckt. So lange ist’s her und ewig wird Sie meine Fernseh-Idealmutter bleiben.

Na ja, im Grunde war Sie eigentlich ein Er, etwas klein geraten und zudem auch merkwürdig gekleidet. Außerdem konnte er auch ziemlich aufbrausend werden und tauchte oft schreiend aus der Küche auf. Aber im Grunde seines grossen, chinesischen Herzens kümmerte er sich stets mit liebevoller Aufopferung um seine kleine (im Nachhinein auch offensichtlich eigenartige) Familie....um little Joe, Hoss, Adam und seinen Boss „Pa“ Ben. Ja, was lebten sie damals zusammen glücklich auf ihrer Ponderosa. Hop Sing, mein Herz ist Dein!

Mit verehrtem Dank sprach Frau K.

Anonym hat gesagt…

Oh, diese Sonntage fern der Heimat!
Auch ohne selbst mit der Schweinebratentradition(nebenbei: mit oder ohne Kruste?)aufgewachsen zu sein fühle ich mit Ihnen, liebe Frau JellyBean.
Hoffe inständigst, dass der Scheiterhaufen damals auch ein bißchen Schmerz von Ihrer Seele schmelzen konnte...
Freu mich schon auf morgen, dann kann ich hier weiterlesen !
die aus der Lücke sendet dampfende Grüße, bis bald !

Anonym hat gesagt…

ich muss bei guten Schweinebraten immer an das Zitat einer alten, sehr weise wirkenden Wirtin erinnern, im im TV auf die Frage, was es denn heute Gutes zu Essen gäbe geantwortet hat "gebratenes Fleisch von Sauce überwältigt".

JellyBean hat gesagt…

Liebe Schweinebratenliebhaberinnen, ein Dank erstmal an Ihre Treue trotz meinen unregelmäßigen Donnerstagen derzeit. Krytischerweise kann ich nur sagen: Auch ein Scheiterhaufen brachte derzeit, in blaues Licht gehüllt, auf der Bonanzaranche am Küchentisch so manch tröstliche Erleuchtung. Mit den besten Grüssen Eure JellyBean