Freitag, 2. November 2007

Neulich bei Beate


Liebe Beate,


Du hast eine neue Boutique eröffnet. In einer meiner Lieblingsstrassen. Erstaunt war ich und begeistert. So ein ansprechendes Ambiente hatte ich Dir gar nicht zugetraut. Dennoch, die Schwelle Deine Ladentür zu durchschreiten schien mir angesichts meiner meterhohen Hemmungen unerklimmlich. Trotzdem studierte ich aufmerksam Deine Warenauslagen im Schaufenster. Sonnenbrillengetrant. Rätselnd stand ich da. Die Neugier hatte mich im Nacken gepackt. Ich widerstand ihr... vorerst.


Es trug sich zu das eine Freundin von mir Geburtstag hatte. Eine sehr sehr gute Freundin. So eine, vor der man keine Geheimnisse hat und die erst recht nicht nach Proseccogenuß am Küchentisch. Den Prosecco in der Regel am Abend. Weil wir nun schon zahlreiche Küchentischabende zusammen verbracht hatten und ebenso zahlreiche Geheimnisse ausgetauscht hatten und eben die Freundschaft schon so lang ist, gesellte sich zu den Gedanken über ein geeignetes Geburtstagsgeschenk eben auch die Frechheit.


Was schenkt man einer Freundin? Einer Freundin, die alles hat, sogar ein Kind und ein Auto und einen Job und eine Wohnung und einen guten Geschmack und tolle Klamotten und eigentlich auch genug zu essen? Nur einen Mann hat sie keinen. Dummerweise war der kurz vorm Geburtstag aus dem Leben geflogen. Schlechtes Timing.


So wollte es das Leben, daß ich da eben in dieser Geschenkeüberlegzeit wieder meine Lieblingsstrasse entlang ging und bei Dir landete. Liebe Beate, die Erleuchtung traf mich einen Meter vor Deiner Ladentür. Die Erleuchtung war leider so gut, daß ich den schweren Gang in das Ladeninnere antreten mußte. Mir blieb nichts anderes übrig. Also, tief durchatmen, Sonnenbrille ins Haar (ich wollte mich nicht zum kompletten Trottel machen) und durchmarschiert. Die Neugier jubelte, die Frechheit tanzte, die Scham meinte nur: "Hoffentlich treffen wir nicht jemanden uns bekanntes."


Das Innere, liebe Beate, ein Traum in rosa! Soviel mädchengeschmack hätte ich Dir gar nicht zu getraut. Ich dachte immer Du bist mehr Herrenfixiert. Es gab dort Dinge zu sehen, wie ich sie zwar kannte, aber in dieser Form nie gesehen hatte. Dinge von deren Existenz ich keine Ahnung hatte. Geschweige denn was damit anzufangen war. Unter anderem auch das Rätsel aus der Schaufensterauslage. Eine Wendeltreppe schlägelte sich sanft in ein dunkel gehaltenes Stockwerk hinauf. Der Teil der Boutique, in dem sich alle auf Covers und DVD-Hüllen umarmen. Ein Mann schlängelte sich übergewichtig und schüchtern die Wendeltreppe hinab, die ihm glücksverheisende Beute fest an sich gedrückt...


Die sehr sehr junge Verkäuferin war hervorragend nett. Aber 18 mußte sie bestimmt sein. Eine Dame mittleren Alters stand unschlüssig herum. Ihre Anspannung war kaum zu übersehen, was mich gleich wahnsinnig entspannte. Die Neugier führte mich sicheren Schrittes durch Deine geheimnisvolle Welt.


Die sehr sehr junge Verkäuferin fragte mich, ob ich zurecht käme. Oh ja, das kam ich. Die Dame mittleren Alters vertraute sich der sehr sehr jungen Verkäuferin an. Einen geeigneten Zauberstab kauft man nicht einfach so. Da tut Erfahrung not. So ist das halt mit dem Suchen und Finden des richtigen Intimpartners. Nach Ewigkeit anmutenden Minuten des Staunens landeten die sehr sehr junge Verkäuferin, die Dame mittleren Alters und die mit der Sonnenbrille im Haar (also ich) vorm selben Regal. Wir wollten dasselben. Alle wollen immer nur das Selbe. Glück und Liebe. Und wahrscheinlich gehört ein bißchen Geborgenheit auch dazu.


Die Dame mittleren Alters fragte mich nach meiner Meinung. Beate, bei Dir im Shop aufeinander zu treffen... das ist wie am FKKstrand den Bauch einziehen. Schummeln geht nicht. Ich sagte der Dame mittleren Alters, daß ich den Maulwurf zwar ganz nett, aber nicht ganz passend finde, aber das Modell "natur" in grün finde ich sehr hübsch. Sie bedankte sich. Ach ja, ich war ja da wegen dem Geburtstagsgeschenk. Ich entschied mich für den absoluten Klassiker. In gold. Goldfinger you know. Bezahlen, raus, Sonnenbrille auf die Nase. Puh. Ich war sehr stolz auf mich.


Ach ja, beim Bezahlen lag das Rätsel aus dem Schaufenster unter der Glasplatte im Ladentresen. Der sehr sehr jungen Verkäuferin sei Dank konnte dieses Geheimnis gelüftet werden. Ich hab dazu sogar eine Infobroschüre mitgenommen. Ist aber nix für mich.


Und meine Freundin... die hat sich echt und ehrlich und mit Tränen in den Augen über ihr Geschenk gefreut. Es funktioniert auch gut, wie sie mir an einem Küchentischproseccoabend gestand.


Beate, ich danke Dir tausendmal für Abenteur und rosa.


Deine JellyBean

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Liebe Frau Bean,
jeden Morgen wach ich auf und hoffe auf eine neue wunderbare Geschichte... So lange Zeit verging ohne ein Lebenszeichen von Ihnen. Die Sandwich-Inseln werden doch wohl hoffentlich nicht verbrannt sein?
Es grüßt ganz herzlich
Frau S.