Donnerstag, 25. Oktober 2007

Wühlen in Kisten: Heinz war der Erste

Liebes kleines Cafe,

als wir uns damals trennten, besser ich mich von Dir, hatte das weniger mit Dir, als mit den Umständen zu tun. Dafür konntest und kannst Du nichts.
Ich denke heute noch manchmal an Dich zurück, wehmütig, an die Stunden die wir miteinander verbrachten. Im Winter war es am schönsten. Wenn ich Dich morgens aufsperrte und mir Dein "Morgenduft" entgegenschlug, der an die vergangene Nacht, vergangene Zigarretten, vergangenes Bier und andere Schandtaten erinnerte, mußte ich manchmal grinsen. Du warst eben zum Feiern geboren. Die altersschwache Kaffeemaschine gluckste mir ein "Guten Morgen" in die Ohren und obschon sie schon auseinanderzufallen drohte, kochte sie doch einen so wunderbaren Espresso. Der Morgen war unsere Zeit, oft war ich allein mit Dir. Vorallem eben im Winter. Draußen dicke Flocken vom Himmel und kalt und drinnen ohne Flocken genauso eisig. Deine Heizung taugte nichts. Trotzdem besitzt Du eine innere Wärme. Heute auch noch. Ich weiß das, hab Dich aber lange nicht mehr besucht. Werd' das auch nicht tun. Du mußt entschuldigen, die Umstände.
Ich bin Dir zu Dank verpflichtet. In unseren gemeinsamen Morgenstunden, Du warst aufgeräumt und hergeputzt für die Gäste, die nicht kamen, saß ich am Tisch 8 und fing an zu schreiben. Du hast mich damals inspiriert. Die erste Geschichte will ich Dir zu Ehren hier veröffentlichen. Als Dankeschön und verspätetes Abschiedsgeschenk.

Heinz sitzt

Heinz saß auf einem Barhocker. Da er immer auf demselben Barhocker saß, war es also mehr oder weniger sein Barhocker.

Heinz hatte vor sich ein großes Weißbier mit schönem Schaumkrönchen. Und einen Blick hatte der Heinz. Der war so abgelebt, der Blick, daß selbst das Weißbier unruhig wurde. Nur manchmal beschloss der Blick auf Wanderschaft zu gehen. Sein Blick nahm nun just in dieser Sekunde den Rucksack und blickte von der Bar weg zum Innenraum des Lokals hin und weit nach draußen zum Fenster hinaus. Einem großen, blinden Fenster hinaus, dem man viel Rauchen und Müdigkeit ansah. "Ich bin so müde", sagte das Fenster.

Draußen ging der Tag vorbei und fuhren Autos vorbei und Menschen liefen vorbei. Der Tag war grau, wie man manchmal grau ist und die Sonne traute sich nicht recht zu scheinen. "Ich trau mich heute nicht. Ich habe eine Depression", sagte die Sonne.

Heinz' Blick blickte zurück, war nichts draußen und da wo man hinblicken möchte und sich ausruhen, eine Vesper machen. Blickte zum Innenraum zurück, zur Bar zurück, hin zum Weißbier zurück. Das Weißbier lächelte ihn schief an, den Heinz, hatte nicht recht Lust getrunken zu werden.

Heinz' Blick blickte in sich hinein, in sein Leben hinein und da war auch nicht viel, nie viel gewesen und kommen würde und könnte da auch nicht mehr viel. Nicht viel Farbe, nicht viel Leben. Da stand er dann auf, der Heinz und bezahlte sein Weissbier mit dem schiefen Lächeln, drehte sich und sprang... Sprang geradewegs in ein Nagelloch in der Wand. Mitten hinein. Da ist es vielleicht nicht so leer. Da ist vielleicht ein Königreich.

Der Barhocker steht immer noch da. Das Weißbier nicht und auch den Heinz hat man nie mehr gesehen.


Wehmut in blau.

Deine JellyBean

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